„Die Gute Form 2020“ in NRW: Vier Türen führen zum Sieg
Ein Möbel, das sich zu allen vier Seiten öffnen lässt: Das Gesellenstück von Robert Zander kommt gänzlich ohne Korpus oder Gehäuse aus. Es besteht im Grunde nur aus vier Türen und einigen Böden, die nur an ihren Berührungspunkten über kleine Scharniere verbunden sind. Für diesen ungewöhnlichen wie auch innovativen Ansatz zeichnete die Jury den jungen Tischler aus Duisburg beim Landeswettbewerb „Die Gute Form 2020“ mit dem ersten Preis aus. Insgesamt 45 Stücke aus den nordrhein-westfälischen Tischler-Innungen hat die Jury in diesem Jahr in einem zweistufigen Verfahren begutachtet.
Corona-bedingt musste der Landeswettbewerb in diesem Jahr ohne die übliche Ausstellung auskommen. In einer ersten Runde hat die Jury anhand von Bildern und Videos über die insgesamt 45 Stücke diskutiert. Auf diesem Wege wurden für die Endrunde zwölf Gesellenstücke nominiert, die dann in Dortmund aufgebaut und von den Jurymitgliedern beurteilt wurden.
So minimalistisch und filigran wie möglich
Sein Siegerstück hat Robert Zander aus einem HPL (High Pressure Laminate) mit papierähnlicher Oberfläche gefertigt. Die Seitenwände, die gleichzeitig auch Türen sind, sind dabei lediglich 3mm stark. „Mein Ziel war es, mein Stück so minimalistisch und filigran wie möglich zu bauen“, sagt der Tischlergeselle, der seine Ausbildung bei der Tischlerei Reichenberg-Weiss in Neukirchen-Vluyn absolviert hat. Um seinem Möbel die notwendige Stabilität zu verleihen, hat er eine innenliegende, vertikale Strebe als Rückgrat verbaut. Im Urteil der Jury heißt es: „Beim Öffnen wird aus der monolithischen Stele ein ganz filigranes, schwereloses Objekt aus vertikal und horizontal angeordneten Linien und Ebenen, das maximale Durchsicht ermöglicht. Zwei kleine Auszüge mit Holzoberfläche werden sichtbar und setzen Akzente. Das wertvolle Palisanderholz wird sparsam nur als Furnier auf den Flächen eingesetzt und dadurch noch kostbarer fokussiert.“ Die handwerklichen Elemente werden bei diesem Stück erst auf den zweiten Blick sichtbar: So hat Robert Zander beispielsweise die Scharniere aus dem gleichen Material wie die Fronten selbst gefertigt. Diese sind in die Türen eingegratet – mit einer Gratnut in einem 3 mm dünnen Material.
Klein, aber fein: Platz 2 für einen Beistelltisch aus Ahorn
Als Gesellenstück hat Beatrice Borggreve aus Aachen (Ausbildungsbetrieb: Tischlerei Franz-Josef Bronneberg, Baesweiler) einen Beistelltisch gefertigt . „Ich wollte ein Möbel bauen, das Stau- und Ablagefläche für kleine Dinge wie Bücher oder ähnliches bietet“, sagt die junge Tischlerin. Mit einer Drehbewegung der Tischplatte öffnet und schließt magnetisch positioniert das darunterliegende Fach. „Ein klassisch anmutender Entwurf, der große gestalterische Sicherheit verrät“, urteilte die Jury und zeichnete Beatrice Borggreve mit dem zweiten Preis aus. „Die Beschränkung auf Ahornholz als einziges Material, der vollständige Verzicht auf Griffe oder sichtbare Beschläge unterstreicht diesen Eindruck. Schmale, vertikale Leisten – je Viertelkreis in zwei Ebenen versetzt angeordnet – bilden eine Hülle, die oben von einer filigranen Platte mit Kreuzfuge abgeschlossen wird.“ Zudem lobte die Jury die vier hohen, schlanken Beine, die sich nach unten verjüngen und dadurch den Eindruck eines schwebenden Gehäuses verstärken.
Spiel mit Kontrasten auf Platz 3
Auf dem dritten Platz landete Jan Schulik aus Ascheberg mit seinem Gesellenstück „Light to dark“. Die Außenhülle seines Schranks hat der junge Tischlergeselle (Ausbildungsbetrieb: Metrica GmbH & Co. KG, Senden-Bösensell) aus hellem und schwarz eingefärbtem Ahorn gefertigt und spielt so ganz bewusst mit dem Kontrast aus Schwarz und Weiß. „Souverän und mit einer Ruhe, die aus Perfektion entsteht, vertraut dieser Schrank vollständig auf die faszinierende Wirkung der visuellen Gestaltung auf der Oberfläche“, heißt es im Urteil der Jury. „Die kontinuierliche Veränderung der horizontalen Nutlinien auf der Korpusoberfläche in Abstand und Breite erzeugt von oben nach unten den Wechsel von hell zu dunkel. Der Eindruck wird durch die dreidimensionale Wirkung der Einfräsungen noch verstärkt. Die handwerkliche Verarbeitung des Möbels ist der maschinellen Präzision dabei ebenbürtig.“
Drei Belobigungen
Neben den drei Siegern zeichnete die Jury drei weitere Stücke mit Belobigungen aus: Eine Belobigung erhielt Jonah Bartel (Ausbildungsbetrieb: Tischlerei Freiformat, Dortmund) für seinen Barschrank aus Ahorn und MDF, dessen Oberfläche er mit einer Wabenstruktur versehen hat, die einem Libellenflügel nachempfunden ist. Eine weitere Belobigung ging an Marie Schreiner (Ausbildungsbetrieb: HolzFormArt, Neukirchen-Vluyn) für ihr Objektmöbel aus Nussbaum, das auf einem Metallgestell ruht. „Wie von einem Rollladen aus Nussbaumleisten umschlossen schwebt die flache Form des Korpus auf dem zierlichen Untergestell“, lobt die Jury. Ebenso eine Belobigung erhielt Malte Schué (Ausbildungsbetrieb: Tischlerei Rössling, Solingen) für seine „Flurtanne“ aus Fichte und MDF. Die Jury hob bei diesem Gesellenstück vor allem die präzise Linienführung und die sorgfältig abgestimmten Details hervor.
Zwei Stücke mit Chancen beim Bundeswettbewerb
Experimentieren, kreatives Potenzial fördern und fordern – das ist das Ziel des Gestaltungswettbewerbes „Die Gute Form“. Seit fast 35 Jahren zeigt das Tischlerhandwerk in NRW mit dem Wettbewerb und einer Ausstellung der prämierten Gesellenstücke, wie gestalterisch begabt die Nachwuchskräfte sind. Die drei Sieger dürfen sich über Geldpreise in Höhe von 750, 600 und 500 Euro freuen. Die Siegerstücke auf Platz 1 und 2 werden zudem im nächsten Jahr beim Bundeswettbewerb an den Start gehen.
„Die Gute Form 2020 NRW“ – Die Jury
Gritt Bartels
Bartels & Klang Innenarchitektur, Gelsenkirchen
Andreas Kuhnert
Fritz-Henßler-Berufskolleg, Dortmund
Heinz Fink
Redaktion BM, Leinfelden-Echterdingen
Thomas Klode
Vorstand Tischler NRW, Klode Raumkonzepte, Düsseldorf
Hans Christoph Bittner
Formgebungsberater Tischler NRW, Dortmund